Ohne Honig könnten wir Menschen wahrscheinlich überleben. Ohne frisches Obst und Gemüse jedoch weniger. Dabei werden all diese Nahrungspflanzen von Tieren wie Bienen bestäubt. Durch die Intensivierung der Landwirtschaft und den fortschreitenden Klimawandel sind die Bienen jedoch in Gefahr - und somit auch unsere Ernährungssicherheit.
Bienen produzieren Honig – das ist vielen bekannt. Doch wusstest du, dass es neben den Honigbienen auch hunderte verschiedene Wildbienenarten gibt, die ganz ohne Imker auskommen und sogar mehr Pflanzen bestäuben als Honigbienen? Ist dir bewusst, dass ein Drittel unserer täglichen Nahrung von der Bestäubung der Insekten abhängt?
Bestäubung durch Bienen ist systemrelevant
„Zwar kommen Getreidesorten wie Weizen oder Reis und Pilze ohne Tierbestäubung aus, die Bestäubung durch Bienen ist aber für unsere Ernährungssicherheit systemrelevant“, betont Christian Bourgeois, Initiator des Bienenretter-Projektes. Mit Workshops und Mitmachaktionen betreibt das Frankfurter Ökologie- und Bildungsprojekt des Frankfurter Instituts für nachhaltige Entwicklung e.V. seit 2011 Aufklärung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene zum Thema Biene und Nachhaltigkeit.
“Viele lebenswichtige Vitamine, sekundäre Pflanzenstoffe und Spurenelemente kommen in ausreichenden Mengen nur in Obst, Beeren und Gemüse vor – doch dieses wächst kaum ohne Bestäubung”, erklärt Bourgeois. Zahlreiche Studien bestätigen zudem die Abnahme von diesen Mikronährstoffen und essenziellen Fettsäuren in künstlich bestäubten Nahrungspflanzen.
„Bienen haben ihre Bestäubungstechnik über Millionen von Jahren perfektioniert. Es ist eine große Illusion zu glauben, man könne hocheffiziente Bienenbestäubung durch Menschen oder Roboter für die Welternährung ersetzen”, so Bourgeois. Auch bestimmte Nüsse sind auf Insekten angewiesen. Bleiben die Bestäuber weg, führt dies zu einer Mangelernährung.
Bienensterben verschärft weltweite Krisen
Die fehlenden Getreidelieferungen aus der Ukraine und Russland zeigen derzeit, wie anfällig unsere Ernährungssicherheit ist. „Welches soziale Sprengpotenzial das Thema Ernährungssicherheit hat, wird für viele erst jetzt durch die Auswirkungen des Ukraine-Krieges und den damit verbundenen Preisanstiegen deutlich“, so Bourgeois. Dabei braucht es nicht mal einen Krieg, um die Ernährungssicherheit aus dem Gleichgewicht zu bringen.
Der UN-Weltrat für Biologische Vielfalt (IPBES) warnt bereits seit Jahren vor schwerwiegenden Konsequenzen für die Nahrungsmittelsicherheit, wenn das Bienensterben wie bislang fortläuft. „Der erste thematische Bericht mit Schwerpunkt Bestäubung und Nahrungsmittelproduktion ist von 2016“, erzählt Bourgeois. Intensive Landwirtschaft sowie den Einsatz von Pestiziden werden dort als eine der Hauptursachen für die gefährdete Blütenbestäubung aufgeführt.
„Durch die intensive Landwirtschaft wird der Boden stark verändert. Dadurch kommt es zur sogenannten Landdegradierung: Diese beschreibt den Verlust der biologischen Vielfalt mitsamt der Ökosystemfunktionen des Bodens wie beispielsweise der Bestäubung“, erklärt Bourgeois. Laut IPBES-Bericht habe die Landdegradierung in vielen Teilen der Welt ein „kritisches“ Niveau erreicht.
„Wertvolle Lebensräume für Insekten und Bestäuber wie zum Beispiel Moore gehen verloren“, bedauert der Bienenretter. Dazu kommen die verheerenden Auswirkungen durch den rapiden Klimawandel. “Durch die steigenden Temperaturen verändert sich auch der Blühzyklus der Pflanzen. Viele blühen dadurch früher im Jahr als der Schlupf der Bienen. Folge: Biene und Blüte finden zeitlich nicht mehr zusammen”, erklärt Bourgeois.
Forscher:innen der Universität Hohenheim haben sich zudem einem wirtschaftlichen Gedankenspiel hingegeben: Welche Verluste gäbe es in der Weltwirtschaft, wenn alle Bestäuber-Insekten von heute auf morgen wegfielen? Laut dem Bericht von 2020 würde ein plötzlicher Verlust aller Bestäuber die Weltwirtschaft zwei Billionen US-Dollar kosten. „Das sind fast zwei Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts“, so Bourgeois. In Deutschland haben die Forscher:innen einen möglichen Verlust von 3,8 Milliarden Euro jährlich errechnet. „Und das sind nur Schätzungen”, betont der Bienenretter.
Bienen schützen heißt Menschen schützen
Ein weiterer Rückgang der Bestäubung könnte folglich weltweite Krisen verschärfen - oder neue auslösen. „Der Schutz der Bestäuber und somit unserer Nahrungssicherheit kann langfristig dabei helfen, Armut und Hunger auf der Welt zu verringern. Daran erinnert auch der Weltbienentag“, erklärt Bourgeois.
Die Vereinten Nationen habe den 20. Mai als Weltbienentag ausgerufen, um uns Menschen an die Bedeutung der Bienen zu erinnern. Der 20. Mai ist der Geburtstag des slowenischen Hofimkermeisters Anton Janscha aus dem 18. Jahrhundert. „Janscha gilt als Erfinder der ersten ‘Zargenbetriebsweise’ und war Leiter der ersten modernen Imkerei-Schule“, erklärt Bourgeois. Mit der Deklaration des Weltbienentags im Jahr 2018 auf Initiative Sloweniens würdigt und mahnt die Generalversammlung der Vereinten Nationen die elementare Rolle der Biene.
Wie können wir Bienen unterstützen?
Um die schwindenden Lebensräume und Nahrungsquellen für Bestäuber auszugleichen, kann jede:r aktiv werden. „Schon kleinste Blühflächen von 4 qm sind ein Hotspot der Insekten-Vielfalt, das bestätigt jüngst wieder eine wissenschaftliche Studie der Universität von Sussex“, sagt Bourgeois.
Wer keinen eigenen Garten zur Verfügung hat, kann sich auch auf dem Balkon ein Bienenparadies herrichten. „Jeder blühende Quadratmeter, jede Pflanze zählt“, betont Bourgeois. „Ansonsten gibt es zahlreiche Möglichkeiten, sich in der eigenen Gemeinde einzubringen und Schulhöfe, Kirchengärten und öffentliche Plätze aufblühen zu lassen. Fragen kostet nichts“, rät Bourgeois.
Doch Vorsicht vor bunten Wüsten - nicht alle Blumen dienen den Bestäubern als Nahrungsquelle. „Das Bienenbuffet sollte möglichst vielfältig und pollenreich sein. Gefüllte Blumen wie Rosen oder Dahlien sehen hübsch aus, bringen den Bienchen aber herzlich wenig“, erklärt Bourgeois. Viele gut duftende Blumen wie Pfingstrosen gleichem einen Blüten-Labyrinth: Vor lauter Blütenblättern kommen die Bestäuber mit ihrem Rüssel kaum bis zum Inneren der Blüte.
„Und wenn, stoßen sie auf trockenen Grund, da gefüllte Blüten in der Regel weder Nektar noch Pollen enthalten“, erklärt Bourgeois. Umweltorganisationen sowie das Ökologieprojekt Bienenretter bieten eigene, bienenfreundliche Blühmischungen an. Wer dann noch Platz im Garten oder Balkon hat, kann eine ‚wilde Ecke‘ aus Totholz schaffen, um den Bienchen einen Nistplatz zu bieten. „Achtung bei Insektenhotels vom Baumarkt – die schaden teilweise mehr, als sie nützen. Am besten selbst machen“, empfiehlt Bourgeois. Eine Anleitung findest du hier.
Artikel: Elisa Kautzky