Die Gefährdung von Tier-, Pflanzen- und Pilzarten wird durch die Einstufung in Rote-Liste-Kategorien wiedergegeben, dabei spielt das Vorhandensein und der Rückgang von Populationen die
entscheidende Rolle bei der Einstufung. "Die Rote Listen vermitteln ein Bild eines Ausschnittes der biologischen Vielfalt in Deutschland und geben damit Hinweise auf Erfolge, aber auch
vordringlichen Handlungsbedarf im Bereich des nationalen Artenschutzes.", so steht es auf der Internetseite des Bundesumweltministeriums zu lesen. Tatsächlich gelingt aber eine Trendumkehr
nur sehr selten oder Umkehr ist auf Fehler und Ungenauigkeiten bei der Erfassung von Populationen zurückzuführen. Letztendlich kommen Maßnahmen zu spät, sind zu aufwändig, zu teuer und
langfristig selten von Erfolg gekrönt. Der fünfte internationale Report zur biologischen Vielfalt aus dem Jahr 2020 stellt fest, trotz einiger weniger Erfolge geht das Massensterben von Tieren
und Pflanzen weiter, der Artenschutz der letzten 50 Jahre ist gescheitert.
Schön länger gibt es in der Wissenschaft die Kritik, dass derartige Listen viel zu spät ansetzen. Daher haben Genetiker die These aufgestellt, dass nur Populationen, die eine ausreichende genetische Vielfalt besitzen, sehr wahrscheinlich noch ausreichend widerstandsfähig sein werden, um auf Umweltveränderungen zu reagieren. Anhand der Genetik könnten so Voraussagen über die anstehende Gefährdung einer Art getroffen werden.
US-amerikanische und kanadische Forschende haben eine Studie an zwei Hummelarten erstellt. Diese unterstützt die These: Es ist möglich, die Gefährdung einer Art genetisch vorherzusagen, bevor ein tatsächlicher Rückgang der Population sichtbar wird. Konkret geht es um die genetische Resilienz von Arten, also ihre Fähigkeit, auf Umweltveränderungen durch eine ausreichende genetische Vielfalt zu reagieren.
Die wichtigsten Punkte aus der Studie:
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Genetische Widerstandsfähigkeit und ihre Bedeutung: Genetische Vielfalt ist entscheidend, damit Arten sich an Umweltveränderungen anpassen können. Populationsgenetische Studien zur genetischen Widerstandsfähigkeit haben bisher jedoch weniger Beachtung gefunden als Studien, die sich auf Populationsrückgänge oder Artenverbreitung konzentrieren. Dies ändert sich jedoch, da genetische Vielfalt zunehmend als wichtiger Faktor im Naturschutz anerkannt wird.
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Museumsproben als wertvolle Ressource: In dieser Studie wurden historische Hummeln aus Museumsbeständen (von 1960 bis 2020) mit modernen genetischen Methoden untersucht. Die Nutzung von Museumsproben ermöglicht eine direkte Messung von Veränderungen in der genetischen Vielfalt über einen langen Zeitraum, was in bisherigen Studien selten umgesetzt wurde.
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Untersuchung von zwei Hummelarten: Die Forscher untersuchten zwei Geschwisterarten der Hummeln: Westliche Hummel Bombus occidentalis und Westliche McKayi Hummel Bombus mckayi. Beide Arten haben unterschiedliche Muster des Rückgangs. Während die Populationen von B. occidentalis seit den 1990er Jahren dramatisch zurückgegangen sind, scheint B. mckayi relativ stabil geblieben zu sein.
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Genetische Vielfalt und Rückgang der Populationen: Die Studie testet die Hypothese, dass die genetische Vielfalt und der Genfluss bei B. occidentalis im Laufe der Zeit zurückgegangen sind und dieser Rückgang bereits vor dem deutlichen Populationsrückgang sichtbar war. Im Gegensatz dazu vermuten die Forscher, dass bei B. mckayi keine signifikanten genetischen Veränderungen stattgefunden haben.
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Ergebnisse und Bedeutung: Diese Untersuchung ist wichtig, weil sie zeigt, wie genetische Analysen helfen können, frühzeitig den Erhaltungszustand von Arten zu bewerten, noch bevor ein dramatischer Populationsrückgang eintritt. Solche längsschnittlichen genetischen Studien sind entscheidend, um Naturschutzmaßnahmen rechtzeitig zu ergreifen. Besonders relevant ist dies für Arten wie Hummeln, die eine Schlüsselrolle in Ökosystemen spielen, aber weltweit unter Bedrohungen leiden.
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Neue Methoden in der Erhaltungsgenetik: Fortschritte in der Technologie ermöglichen nun die Untersuchung von genetisch degradierten Proben aus Museen. Diese „museomischen“ Ansätze bieten wertvolle Einblicke in die genetische Geschichte von Arten und können helfen, die genetische Widerstandsfähigkeit auch bei schwer zu erfassenden Populationen zu untersuchen.
Kritik an der Studie und seiner Methodik ist aber auch angebracht: Die Studie hat nur zwei Hummelarten untersucht, die Übertragbarkeit auf andere Bienenarten bleibt daher eingeschränkt. Die Methodik kann nur beschränkt oder gar nicht für andere Arten genutzt werden, da die Forschenden auf eine Vielzahl an Museumproben aus mehreren Regionen Nordamerikas und über einen langen Zeitraum zurückgreifen konnten. Bei vielen anderen Arten wird dies aber nicht der Fall sein, da die historischen Sammlungen möglicherweise nicht über ausreichend Material verfügen. Zudem arbeiten die Forschenden teils mit statistischen Wahrscheinlichkeiten.
Fazit
Die sogenannten Roten Listen sind nach Ansicht vieler Forschenden ein überholter Mechanismus. Die Registrierung von Populationsrückgängen finden oft erst in einem zu späten Stadium in einem unumkehrbaren Niedergangsprozess einer Art statt. Die Studienergebnisse verdeutlichen, wie wichtig frühzeitige genetische Analysen sein können, um ein frühzeitiges und effizientes Arterhaltungsmanagement einzuleiten. Sie liefern entscheidende Informationen, um Gefährdungen frühzeitig zu erkennen und Schutzmaßnahmen einzuleiten, bevor der Populationsrückgang nicht mehr umkehrbar ist. Für viele Arten kommen die heutigen Arterhaltungsmaßnahmen auf Grundlage der Roten Listen zu spät, auch wenn deren Niedergang sich über Jahrzehnte erstreckt.
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