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Trend Insektenhotels im Garten: Eine vergebene Mühe?

Künstliche Insektenhotels gegen das Artensterben sind in vielen Gärten ein neuer Trend geworden. Denn seit der Mensch in die Natur eingreift, fehlen natürliche Rückzugs-, Überwinterungs- und Nistorte für Tiere und Insekten. Mit Tannenzapfen und Holzröhrchen versprechen Insektenhotels aus dem Handel Insekten anzulocken. Doch die Sechsfüßler suchen gar nicht danach.

Stefan Brenzinger, Beobachtungskasten
Stefan Brenzinger mit einem Beobachtungskasten für Insekten. Foto: Roland Breitschuh

Insektenhotels erfreuen sich immer größerer Beliebtheit bei Gartenbesitzer*innen – die kleinen Häuschen aus Holz stehen mittlerweile nicht nur in privaten Gärten, sondern auch in Parks und auf öffentlichen Plätzen. Wer keines selbst bauen will, muss nur einen Blick in den Baumarkt werfen: Dort gibt es die sogenannten „Insektenhotels" in verschiedenen Größen und Farben für „Balkon, Garten und Terrasse", gefüllt mit angebohrtem Holz, verschiedenen Röhrchen, Hohlräumen, Tannenzapfen, Holzwolle oder Lochsteinen. Marienkäfer, Schmetterlinge und Bienen, die in Richtung "Hotel" fliegen, sind oftmals auf der Verpackung zu sehen. „Das wird so aber nicht passieren", sagt Stefan Brenzinger. Der gelernte Tischler und Bauingenieur ist seit 2018 nebenberuflich im Rahmen der AKTIONGRUEN für Wildbienen und Insekten im Einsatz. „Das Thema Artensterben und die Bereitschaft von Naturfreunden etwas dagegen zu tun, wird von industriellen Herstellern und vom Handel ausgenutzt", ärgert sich Brenzinger. Die künstlichen Nisthilfen aus dem Baumarkt, Discounter und Co. suggerieren, dass man damit etwas Gutes für die Natur und Insekten tut. „Mitunter sogar, dass sie das Insektensterben aufhalten könnten – dem ist aber nicht so!", betont er.

Bringen Insektenhotels etwas?

Oft sind viele Verbraucher schon kurze Zeit nach dem Kauf der bunten Kästchen enttäuscht, weil keine Insekten einziehen. Diese suchen nicht nach dieser künstlichen Anhäufung von Materialien. „Es wäre ein reiner Zufall, wenn sich doch mal eine Florfliege oder gar ein Schmetterling an einem Insektenhotel aufhält. Höchstens ein Ohrenkneifer würde dort einziehen", so Brenzinger. In ihrer natürlichen Umgebung – also auf Wildwiesen, in Gebüschen, heimischen Hecken oder Totholzhaufen – fühlen sich Insekten am wohlsten. „Die Tannenzapfen und Holzreste im Insektenhotel liegen hinter Gittern. Ein Marienkäfer würde nie auf die Idee kommen, da freiwillig einzuziehen", betont Brenzinger. 


Schmetterlingen bringt ein Insektenhotel in ihrem Lebenszyklus beispielsweise herzlich wenig: So suchen die Falter im Frühjahr lieber nach blühenden Trachtpflanzen wie der Schlehe. Die heimische Pflanze dient zur Eiablage und als Nahrungslieferant für die Raupen. „Nur wenige Schmetterlingsarten überwintern überhaupt, andere wandern Richtung Süden", erklärt Brenzinger. Diejenigen, die überwintern, haben einen eigenen Frostschutz, „benötigen also keinen geschützten Raum. Sie hängen sich in der Natur einfach unter einen Ast an die Rinde oder in eine Baumhöhle und verfallen da in den Winterschlaf", so Brenzinger. „Ein winziger Hohlraum mit Schlitz in einem Insektenhotel bietet keinen angemessenen Rückzugsort", so Brenzinger. Stattdessen bräuchte es mehr heimische Sträucher und Pflanzen, die Nektar und Nistplatz zugleich sind.

Insektenhotel
Insektenhotel umgeben von blühenden Pflanzen.

Wie hilft man den Insekten?

Wenn man Insekten im Allgemeinen unterstützen möchte, lässt man einfach mehr Wildnis im Garten zu. „Die meisten Insekten sind da Zuhause, wo der Mensch nicht aktiv ist: in der ungestörten Natur mit großer Artenvielfalt", betont er. So nisten viele Insekten in abgestorbenen Bäumen, Waldrändern oder Wiesenfluren. Sobald der Mensch jedoch anfängt, in seinem Garten zu werkeln und welke Blätter oder abgestorbene Stängel entfernt, ergreifen viele Insekten die Flucht. Also lieber mal einen „wilden" Streifen im Garten wachsen lassen und eine Totholzecke aufrichten. „Es ist in Ordnung, sich ein Insektenhotel in den Garten aufzuhängen. Man sollte sich nur klar sein, dass es sich bei den meisten Kästen um einen reinen Dekoartikel handelt und man damit kaum Insektenschutz betreibt", findet Brenzinger.

Insbesondere die Hotels aus dem Handel stören den Naturfreund – immerhin verlassen sich die Käufer*innen darauf, ein durchdachtes Produkt zu erwerben. „Viele wollen am Trend mitverdienen. Ob die Nisthilfe funktioniert, ist ihnen egal", ärgert er sich. Zahlreiche Händler verfügen erst gar nicht über eine Kompetenz, Kunden bei diesen Produkten zu beraten. Einige wenige Ausnahmen gibt es dann doch, die meist jedoch nur über das Internet in Kleinserien zu bekommen sind. Diese haben aber auch ihren Preis. Wenn man ein Insektenhotel aufstellen will, sollte man es lieber selbst bauen z.B. mit Materialien, die auch in der Umgebung vorkommen. Auch wenn die nachgebauten Strukturen niemals die Natur ersetzen können, lässt sich doch mit einigen Handgriffen etwas für die Insekten im eigenen Garten tun. 

Wie baut man ein Insektenhotel?

Eine Nisthilfe versucht natürliche Strukturen nachzubilden. Das Baumaterial sollte aus der Natur kommen. Für eine natürliche Nisthilfe eignet sich gefälltes Hartholz, Bambus oder Schilfhalme. Das Holz sollte vorher getrocknet und gut abgelagert sein, damit es nicht zu Rissen kommt. Auch ganze Stammstücke können aufgestellt und mit gebohrten Löchern versehen werden. „Bambus wächst in Deutschland nicht in freier Natur, bei Gärtnereien kann man aber nach Abschnitten fragen", so Brenzinger. Für den Bau der Nisthilfe sollten jedoch keine natürlichen Strukturen oder vorhandener Lebensraum zerstört werden. 

Hartholz

  • Verwende Hartholz von heimischen Laubhölzern wie Buche, Eiche, Esche, Obstgehölze oder Robinie. Weichhölzer und harzendes Nadelholz wie Fichte, Tanne, Kiefer sind nicht geeignet.
  • Bohre nur ins Längsholz, also quer zur Faser, nicht ins Stirnholz. 
  • Verwende unterschiedliche Bohrdurchmesser, 2 – 9 mm sind ideal. 
  • Bohre so tief wie möglich und entferne abstehende Fasern
  • Oberfläche nur schleifen, nicht lackieren oder ölen.
  • Wenn es dazu kommt, dass Vögel an der Nisthilfe beobachtet werden, kann ein Draht davor montiert werden. Abstand zum Holz größer als 3 cm.

Röhrchen

  • Röhrchen sollten saubere Kanten haben ohne abstehende Fasern
  • Möglichst lange Röhrchen verwenden, mindestens 10 cm
  • Durchgehend offene Röhre und hinten verschlossen, zum Beispiel eingeklebt in einem Gefäß.
  • Nutze unterschiedliche Bohrdurchmesser, 2 – 9 mm sind ideal. 
  • Wenn es dazu kommt, dass Vögel an der Nisthilfe beobachtet werden, kann ein Draht davor montiert werden. Abstand zum Holz ist größer als 3 cm.

Wo stelle ich ein Insektenhotel auf?

Der Aufstellort sollte regengeschützt und sonnig sein, ein Dach über der Nisthilfe schützt vor Feuchtigkeit und Schimmel. Zudem sollte ein vielfältiges und ganzjähriges Blütenangebot geschaffen werden. „Nahrung ist die Grundlage für Leben. In der Umgebung der Nisthilfe sollte eine naturnahe, blüten- und strukturreiche Umgebung geschaffen oder vorhanden sein", betont Brenzinger.


Eine ausführliche Bauanleitung gibt es von AKTIONGRUEN kostenlos zum Download. Die 4 größten Irrtümer beim Wildbienenhotelbau findest du hier.

 

Artikel: Elisa Kautzky